Joschka Fischer

Mittwoch, 21. September 2005

Joschka Fischer

fischer

Herkunft und Jugend

Fischer wurde als drittes Kind eines Metzgers geboren. Die Eltern mussten als Ungarndeutsche 1946 Budapest verlassen. Der von ihm geführte Vorname leitet sich von Jóska ab, einer Verniedlichungsform des ungarischen Vornamens József.

Noch vor Beendigung der Untersekunda verließ Fischer 1965 das Gottlieb-Daimler-Gymnasium in Stuttgart-Bad Cannstatt ohne Abschluss und begann in Fellbach eine Lehre als Fotograf, die er 1966 abbrach. Während seiner Jugend war er als Ministrant in der katholischen Kirche aktiv.

Danach arbeitete er vorübergehend als Spielwarenverkäufer. Im November 1966 starben Fischers Schwester und sein Vater.

Studentenbewegung

Ab 1967 engagierte er sich in der Studentenbewegung und in der Außerparlamentarischen Opposition (APO). Er lebte ab 1968 in Frankfurt am Main. Später jobbte Fischer im SDS-Verlag Neue Kritik oder im größten linken Buchladen am Ort, dem "Libresso" am Opernplatz. Gleichzeitig begann er die für die revolutionären Studenten obligatorischen Universitätsveranstaltungen als Gasthörer zu besuchen: Vorlesungen von Theodor W. Adorno, Jürgen Habermas und Oskar Negt, die bis zu 2000 Zuhörer hatten. Hier setzte er sich umfangreich mit den Schriften von Karl Marx, Mao Zedong und Georg Wilhelm Friedrich Hegel auseinander. Bis 1975 war er Mitglied der linksradikalen und militanten Gruppe Revolutionärer Kampf. Er beteiligte sich führend an mehreren Straßenschlachten mit der Polizei („Putzgruppe“), in denen Dutzende von Polizisten zum Teil schwer verletzt wurden. Als Außenminister entschuldigte sich Fischer für seine damalige Gewalttätigkeit, wollte sich aber gleichzeitig nicht davon distanzieren. Er beteuerte zudem, niemals Molotowcocktails eingesetzt zu haben. Aus der Frankfurter Zeit stammt auch seine Freundschaft mit dem deutsch-französischen Studentenführer Daniel Cohn-Bendit.

1969 nahm Fischer in Algier an einer Konferenz der damals terroristischen PLO teil. Auf dieser Konferenz propagierte der Palästinenserführer Jassir Arafat den Kampf gegen Israel bis zum „Endsieg“.

1971 begann er eine Tätigkeit bei der Adam Opel AG in Rüsselsheim mit dem Ziel, über die Gründung einer Betriebsgruppe die Arbeiter zu politisieren und letztlich für eine „Revolution“ zu gewinnen. Diese Form der „Basisarbeit“ fand aber nicht den erwarteten Erfolg; zudem wurde Fischer wegen dieser Aktivitäten schon nach einem halben Jahr fristlos entlassen.

Nach weiteren Gelegenheitsarbeiten – unter anderem als Übersetzer von Romanen bei Jörg Schröders Olympia Press (Quelle) – bestand Fischer 1976 die Prüfung für den Personenbeförderungsschein. Er arbeitete in Frankfurt noch bis 1981 als Taxifahrer und bis 1982 als Aushilfe in einem Buchladen.

Realpolitik bei den Grünen

Noch vor seinem Parteibeitritt im Jahr 1982 gründete Fischer 1981 mit Daniel Cohn-Bendit und anderen den Arbeitskreis Realpolitik in Frankfurt, der für die Partei Die Grünen „realpolitisch“ genannte Positionen formuliert. Die inhaltliche Auseinandersetzung mit diesen neuen Positionen führte im Kreisverband Frankfurt zur Polarisierung in Realos und Vertreter eines „öko-fundamentalistisch“ genannten Standpunktes (Fundis), in deren Verlauf sich Fischer 1982 für die Bundestagswahl 1983 als Kandidat für Die Grünen durchsetzen konnte.

1983 wurde er in den Deutschen Bundestag gewählt und gehörte damit der ersten Bundestagsfraktion der Grünen an, für die er als Parlamentarischer Geschäftsführer tätig war. Er machte sich auch als Redner einen zum Teil umstrittenen Namen (Zitat: „Mit Verlaub, Herr Präsident, Sie sind ein Arschloch!“). Wegen des damals bei den Grünen noch geltenden Rotationsprinzips schied er 1985 wieder aus dem Bundestag aus.

Außenminister und Vizekanzler

Bei der Bundestagswahl im Herbst 1998 verlor die CDU-FDP-Koalition unter Bundeskanzler Helmut Kohl nach 16 Jahren ihre Mehrheit. Es kam zur Bildung der ersten rot-grünen Koalition auf Bundesebene. Fischer wurde im Kabinett von Bundeskanzler Gerhard Schröder am 27. Oktober 1998 zum Vizekanzler und Außenminister ernannt.

1999 unterstützte Fischer maßgeblich die deutsche Beteiligung am völkerrechtlich umstrittenen Kosovo-Krieg, wodurch erstmalig seit dem Zweiten Weltkrieg wieder deutsche Soldaten an einem Krieg beteiligt waren. Er begründete diesen Krieg mit dem Verweis auf den deutschen Völkermord an den Juden. So sagte er bei einem Besuch in Auschwitz: Zur Verhinderung eines neuen Auschwitz „ist die Bundeswehr in Bosnien“ und sie werde daher „wohl auch in das Kosovo gehen“. Dem Nachrichtenmagazin Newsweek sagte Fischer auf die Frage, ob er zwischen den Ereignissen im Kosovo und dem Nationalsozialismus eine direkte Parallele sehe: „Ich sehe eine Parallele zu diesem primitiven Faschismus. Es ist offensichtlich: Die 30er Jahre sind wieder da, und das können wir nicht akzeptieren.“ Es war unter anderem von Rudolf Scharping behauptet worden, dass es im Kosovo Konzentrationslager gebe, was sich aber als falsch herausstellte.

Kritiker werfen Fischer vor, als Außenminister Positionen zu vertreten, die er vor der rot-grünen Regierungsübernahme abgelehnt hatte. So schrieb er noch 1994 in seinem Buch Risiko Deutschland:

"Die weitere Entwicklung ist unschwer abzusehen: Es fängt heute mit der Parole »Mehr Verantwortung übernehmen!« an, dann werden die ersten Kriegseinsätze stattfinden, die ersten Toten wird es geben, die ersten vaterländischen Rituale werden folgen, die Generalität wird mehr Freiheiten wollen, Kriegshelden werden wieder heroisiert, längst überwunden geglaubte Traditionen werden exhumiert werden, und die von den Deutschnationalen heißersehnte Wiederkehr des »Primats der Außenpolitik« wird dann »gefeiert« werden dürfen; parallel dazu wird Deutschland einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen erhalten, in dem als ständige Mitglieder heute nur lauter Nuklearmächte sitzen."

Wegen seines Werbens als deutscher Außenminister für den Einsatz der NATO im Kosovo-Krieg wurde er unter anderem in Internet-Foren, aber auch von Angehörigen der Friedensbewegung als Kriegsverbrecher bezeichnet. Das Oberverwaltungsgericht Berlin hat allerdings entschieden, dass diese Bezeichnung rechtswidrig ist.

Heftige Kritik an Joschka Fischer wurde auch wegen seiner Haltung bezüglich des Tschetschenien-Kriegs geäußert. Während der Bundestagsabgeordnete Joschka Fischer im Januar 1995 noch die Untätigkeit der Bundesregierung angesichts des „grausamen Mordens einer nuklearen Supermacht gegen ein kleines Volk im Norden des Kaukasus“ verurteilte, erklärte er 2000 als Außenminister, dass Russland nicht isoliert werden dürfe und es legitim sei, gegen Terror vorzugehen.

Es wird vor allem seiner Person zugerechnet, dass die Grünen bei der Bundestagswahl 2002 ihr Ergebnis um 1,9 Prozentpunkte auf 8,6 % verbessern konnten, wodurch die Grünen trotz des verkleinerten Bundestages 8 Sitze hinzugewinnen konnten und so der Regierungskoalition einen knappen Sieg ermöglichten.

Fischer galt als aussichtsreicher Kandidat auf den für 2006 geplanten Posten des Außenministers der Europäischen Union. Am 1. September 2003 verkündete er allerdings gemeinsam mit Bundeskanzler Schröder, dass beide bei der nächsten Bundestagswahl wieder zusammen antreten wollen.


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